Unter Geh-Struktur versteht man in der Jugendarbeit den Handlungsansatz, nicht darauf zu warten, dass Kinder und Jugendliche von sich aus Hilfe suchen, indem sie etwa ins Jugendhaus kommen, sondern dass die Pädagogen aktiv auf die Bedürftigen zugehen. Streetworker nehmen einen zentralen Platz in diesem Konzept ein, denn sie gehen raus auf die Straße und suchen die Jugendlichen dort auf, wo sie zu finden sind. Man unterscheidet zwischen unmittelbarer Geh-Struktur, bei der man Problemfälle direkt besucht, und mittelbarer, bei der mit Einrichtungen wie Schulen und Erziehungsheimen kooperiert wird.
Beruf als Streetworker - Arbeiten im Bereich Soziale Arbeit
„Du weißt gar nicht, wie gut es dir geht!“ Wer kennt sie nicht, diese jeglichen Widerstand erstickende Weisheit elterlicher Debattierkunst. Ein kurzer Blick in die Nachrichten zeigt, dass Mama und Papa in den meisten Fällen leider Recht haben. Wir müssen dabei gar nicht über die Grenzen Deutschlands hinausblicken, um Menschen in Not zu finden. Selbst in der Bundesrepublik, einem Staat, der das Prinzip der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit als Verfassungsgrundlage in seinem Grundgesetz verankert hat, finden sich zahllose Menschen, die ins emotionale oder soziale Abseits geraten sind. Vielleicht wurde eine falsche Entscheidung getroffen, vielleicht wurde ein Schicksalsschlag nicht verkraftet, vielleicht war niemand da, um im richtigen Moment aufzupassen. Was auch immer die Ursachen waren für den Weg in Obdachlosigkeit, Kriminalität, Drogenabhängigkeit, Armut oder Prostitution, im Beruf als Streetworker gehst du zu den betroffenen Menschen und versuchst, gemeinsam mit ihnen Auswege und neue Perspektiven zu finden.
Spezialisierungen
Streetworker/inArbeitsalltag und Aufgaben als Streetworker

Im Beruf als Streetworker begibst du dich in die Lebenswirklichkeiten der Betroffenen und besuchst sie in jenen sozialen Brennpunkten, in denen sie ihr Leben und ihren Alltag meistern müssen. Dieses Leben und dieser Alltag bestehen häufig aus Perspektivlosigkeit, Kleinkriminalität, Drogenmissbrauch, Ghettoisierung, Sprachbarrieren und Armut. Daher ist es im Streetworker Beruf besonders wichtig, eine Vertrauensbasis zu deiner Zielgruppe aufzubauen. Das gelingt dir nur über bestimmte Arbeitsprinzipien wie Lebensweltorientierung, Niedrigschwelligkeit, Vertraulichkeit, Freiwilligkeit und Parteilichkeit.
Du berätst Drogenabhängige und steuerst die behutsame Konsumreduzierung, du arbeitest in der Aids-Prävention und hilfst bei der medizinischen Grundversorgung in der Obdachlosenszene. Du organisierst sportliche oder kulturelle Freizeitangebote und andere Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche in Ortsteilen, die von hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägt sind, und du unterstützt die Menschen bei allen anfallenden Verwaltungsaufgaben, mit denen sie alleine vielleicht überfordert wären. Du beteiligst dich an ihrer Wohnungssuche, begleitest sie zu Behördengängen und Arztterminen und bist an ihrer Seite, wenn Anträge gestellt und Formulare ausgefüllt werden müssen. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln und warmer, sauberer Kleidung gehört zu deinen Aufgaben. Vor allem aber hörst du den Menschen zu, nimmst sie ernst und verurteilst sie in keinem Fall.
Ein wesentliches Ziel im Streetworker Beruf ist das sogenannte Empowerment, also die Förderung der sozialen Kompetenz und der individuellen Fähigkeiten. Du zeigst den Menschen, welche Talente und Kräfte in ihnen schlummern, die sie vielleicht nicht kannten oder vergessen haben, und wie sie diese nutzen können, um ihr Leben wieder selbstbestimmter zu führen.
Als Streetworker bist du, wie der Name schon verrät, natürlich häufig „draußen“ unterwegs. Das kann durchaus auch am Wochenende oder zu später Stunde nötig sein. Verwaltungsaufgaben und den Papierkram erledigst du aber in den Büroräumen deines Arbeitgebers. Den wirst du vor allem im öffentlichen Dienst finden, zum Beispiel im Sozialwesen, Wohlfahrtsorganisationen, ambulanten sozialen Diensten, kirchlichen oder anderen religiösen Vereinigungen oder sowie Sozial- oder Jugendämtern.
Außerdem arbeitest du zwar sehr eigenständig, stehst aber auch im Austausch mit den Mitarbeitern anderer Behörden und Einrichtungen. So baust du dir ein Netz aus wichtigen Kontakten und Anlaufstellen auf und kennst die richtigen Ansprechpartner in Beratungsstellen, Behörden und Therapiezentren.
Voraussetzungen für den Beruf Streetworker
In der Regel wird, um im Beruf als Streetworker arbeiten zu können, ein abgeschlossenes Hochschulstudium verlangt. Die klassischen Studiengänge sind Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Aber auch Psychologen und Sozialwissenschaftler werden als Streetworker eingestellt. Für die meisten Job ist der Bachelor ausreichend, doch für höhere Stellen, zum Beispiele eine Institutionsleitung, ist ein Masterabschluss Pflicht. An der Uni erlernst du alle wichtigen theoretischen psychologischen und sozialpädagogischen Kenntnisse, die du im Umgang mit deiner Zielgruppe brauchst. Zudem wirst du auch in den rechtlichen Grundlagen des Sozialwesens geschult.
Daneben benötigst du aber auch Fähigkeiten, die du nicht an einer Hochschule lernen kannst: Empathie, Geduld und ein wirkliches Interesse an den Menschen. Aber auch eine gewisse Hartnäckigkeit wirst du brauchen, denn nicht jeder nimmt deinen Rat oder deine Hilfe gleich dankend an. Auch den einen oder anderen Rückschlag wirst du früher oder später verkraften müssen, nicht jeder Fall führt zum Happy End. Eine gewisse Distanz zu den Menschen, um die du dich kümmerst, solltest du dir also immer bewahren. Da dich jeder persönliche Kontakt mit den Menschen deiner Zielgruppe ein Stückchen weiter sensibilisiert, solltest du auf jeden Fall auch schon praktische Erfahrungen gesammelt haben, ehe du dein Studium abschließt. Ein Praktikum ist bei den meisten Studiengängen daher Pflicht. Daneben wird dir jedes weitere Praktikum, jeder Nebenjob und jede ehrenamtliche Tätigkeit im späteren Job hilfreich sein.
Sollen Streetworker speziell für die Arbeit mit Migrantengruppen eingesetzt werden, kann es übrigens sein, dass man gezielt Bewerber mit ähnlichen kulturellem oder sprachlichem Hintergrund einstellt, um das Vertrauen der Betroffenen zu fördern. Je nach Region werden zum Beispiel Streetworker gesucht, die bestimmte ost- oder südeuropäische oder afrikanische Sprachen beherrschen oder selber aus diesen Räumen kommen.
Spezialisierungsmöglichkeiten
Abhängig von der Einrichtung, bei der du angestellt bist, kann es sein, dass du im Beruf als Streetworker für alle Alters- und Sozialgruppen übergreifend als Ansprechpartner im Einsatz bist. In diesem Fall solltest du dich mit Themen wie Jugendarbeit ebenso auskennen wie in der Aids-Beratung oder der Migranten-Arbeit.
Daneben gibt es aber auch Einrichtungen, die sich auf eine bestimmte Zielgruppe konzentrieren, zum Beispiel auf obdachlose oder kriminelle Jugendliche. Jede Zielgruppe hat dabei natürlich ihre eigenen Bedürfnisse und spricht ihre eigene Sprache, die auch du beherrschen musst.
Im Bereich der Jugendarbeit kannst du dich zum Beispiel auf die mobile Jugendarbeit spezialisieren. Dort werden mehrere Handlungsansätze und -prinzipien der Sozialarbeit vereint, nämlich die Einzelfallhilfe, die Gruppenarbeit sowie die Gemeinwesenarbeit, in der alle Betroffenen gemeinsam versuchen, die Lebenssituation in einem Bezirk zu verbessern.
Spezialisierungen
Streetworker/inEng verknüpft mit der Geh-Struktur ist das Konzept der Niedrigschwelligkeit. Vor allem sozial benachteiligte Zielgruppen nehmen Angebote mit Komm-Struktur nicht in Anspruch. Es ist für sie eine oftmals zu hohe Hürde, also eine zu hohe Schwelle, die Initiative zu ergreifen und sich in ein unbekanntes Umfeld zu begeben. Indem man auf sie zugeht und Angebote in ihrem gewohnten raumzeitlichen Umfeld anbietet, wird diese Hemmschwelle deutlich gesenkt.
Als Streetworker ist es eine deiner Hauptaufgaben, das Empowerment innerhalb deiner Zielgruppe zu fördern. Empowerment kommt aus der amerikanischen Sozialarbeit und bedeutet, Menschen in benachteiligten Positionen zu befähigen, eigene Talente, Kräfte und soziale Beziehungen zu nutzen, um ihr Leben wieder selbstbestimmt führen zu können. Die Zielgruppe wird dabei nicht als hilfsbedürftiges Objekt sozialpädagogischer Arbeit gesehen, sondern als Experten der eigenen Lebenslage.
- Psychologie
- Pädagogik
- Sozialrecht
- Empathie
- Geduld
- Hartnäckigkeit
- Freundlichkeit
